Lia Henkelmann – Profi-Fußballerin beim VfL Wolfsburg

Lia Henkelmann besucht seit der 5. Klasse die Raabeschule und spielt noch länger sehr erfolgreich Fußball. Jetzt besucht sie die Oberstufe und steuert auf das Abitur zu, gleichzeitig spielt sie Fußball in der zweiten Bundesliga. Bevor sie die Schule verlässt, muss sie auf jeden Fall noch für den Raabeblog interviewt werden – dachte sich die Redaktion. Und so hat sich unser Schülerredakteur Julius aus der 6. Klasse zu seinem zweiten großen Interview mit Lia am Standort Stöckheim getroffen – in ihrem alten und seinem aktuellen Klassenraum. Das Interview wurde von beiden mit äußerster Professionalität geführt. Die Aufregung, die bei einem solchen Interview automatisch mit dabei ist, war kaum zu merken – im Gegenteil, die Stimmung war entspannt und teilweise sogar ausgelassen.

Lia Henkelmann (VfL Wolfsburg) WOLFSBURG, DEUTSCHLAND. 15.08.2021, FUSSBALL – VfL Wolfsburg U20 vs RB Leipzig, Saison 2021/22, 2. Frauen Bundesliga, 1. Spieltag Frograph: http://www.boris-schmelter.de

Hallo Lia, wir freuen uns, dass du dich sofort zu diesem Interview bereiterklärt hast. Vielleicht stellen wir dich und deinen Sport erstmal vor: Bei welchem Verein, in welcher Sportart und in welcher Liga spielst du?

Hallo. Ich spiele Fußball beim VfL Wolfsburg in der zweiten Frauenmannschaft, mit der wir momentan in der zweiten Frauen-Bundesliga spielen.

Wie lange übst du den Sport schon aus?

Ich habe im Kindergarten mit 4 Jahren angefangen zu spielen und im Verein spiele ich, seitdem ich sieben Jahre alt bin. Ich habe hier in der Region beim SV Stöckheim begonnen und bin dann mit neun Jahren nach Wolfsburg gewechselt.

Wie bist du zu dem Sport gekommen? Was hat dich auf die Idee gebracht oder wolltest du das einfach mal ausprobieren?

Im Kindergarten haben ein paar Freunde von mir Fußball gespielt und ich habe mich denen einfach angeschlossen und mitgespielt. Mir hat es von Anfang an sehr viel Spaß gemacht und dann hat sich das irgendwie alles so entwickelt.

Warst du schon immer gut in deinem Sport?

Ich hatte eigentlich von Anfang an Spaß am Fußballspielen. Wenn man viel Spaß an etwas hat und dann sehr viel Zeit mit diesem Hobby verbringt, wird man eben auch immer besser. Weil ich so viel Spaß daran hatte, war ich auch immer mit vollem Ehrgeiz dabei und deswegen wohl auch schon immer ganz gut darin.

Wie hältst du dich in der Coronaphase fit? Hast du momentan Training?

Wir haben seit Februar wieder Training. Wir werden dafür zweimal die Woche getestet und dann haben wir noch einige weitere Maßnahmen, die wir einhalten müssen. Deswegen können wir schon seit Februar wieder ganz normal trainieren also fünf- bis sechsmal die Woche. Vorher hatten wir einen Laufplan. Dazu kamen Videokonferenzen beispielsweise für Krafttraining, bei dem der Trainer dann die Übungen vorgemacht hat. Teilweise hatten wir auch Techniktraining, bei welchem wir Übungen mit Ball nachmachen mussten.

Lia Henkelmann (VfL Wolfsburg) WOLFSBURG, DEUTSCHLAND. 15.08.2021, FUSSBALL – VfL Wolfsburg U20 vs RB Leipzig, Saison 2021/22, 2. Frauen Bundesliga, 1. Spieltag Fotograoh: http://www.boris-schmelter.de

Merkst du, dass du nicht mehr so fit bist wie vor der Coronazeit?

Ja, man hat da schon ganz deutlich einen Unterschied gemerkt. Ich habe nach dem ersten Lockdown ungefähr ein halbes Jahr lang nicht richtig Fußball im Verein gespielt, weil wir eben so lange kein Mannschaftstraining hatten. Aber auch jetzt beim zweiten Lockdown im Winter: Danach merkt man eben auch, dass die Ausdauer weg ist. Man kann ja laufen gehen, aber das ist dann keine fußballspezifische Ausdauer. Man läuft ja nicht die ganze Zeit nur ein Tempo beim Fußball und deswegen merkt man diese Phasen auf jeden Fall.

Wie schaffst du es, Sport und Schule unter einen Hut zu bekommen?

Also, das klappt mal besser und mal schlechter. Ich bin ja jetzt in der Oberstufe und ich hatte in der letzten Zeit entweder nur Fußball oder nur Schule. Es war eigentlich nie beides gleichzeitig dringend – natürlich insbesondere aufgrund der Coronamaßnahmen mit dem Homeschooling. Aber bald habe ich dann wieder beides gleichzeitig – also Fußball und Schule – und ich muss dann schauen, wie es klappt. Meistens geht das aber relativ gut, wobei ich dann schonmal Hausaufgaben im Zug nach Wolfsburg oder noch abends mache.

Was gefällt dir am besten an deinem Sport? Gibt es da irgendwas Spezielles oder ist es einfach der Sport an sich?

Mir gefällt definitiv, dass es eine Mannschaftssportart ist. Ich habe viele meiner besten Freunde über das Fußballspielen kennengelernt und man ist eben direkt auf einer Wellenlänge. Es ist ein richtig cooles Gefühl, im Team zusammen zu spielen.

Wirst du von deiner Familie oder von deinen Freunden unterstützt? Gehen die beispielsweise auch mal ins Stadion, um dich bei einem großen Spiel zu unterstützen?

Auf jeden Fall. Meine Familie unterstützt mich sehr und kommt auch gerne zu Spielen. Tatsächlich mag ich das gar nicht immer gerne, wenn so viele Leute bei mir zugucken wollen. Ich werde auch von meinen Freunden unterstützt. Die haben immer wieder Verständnis, wenn ich mal ein Treffen absagen oder eher losmuss.

Bekommst du auch Unterstützung aus der Schule, beispielsweise wenn mal eine Veranstaltung während der Schulzeit ist?

Das kommt natürlich immer auf die Lehrkraft drauf an, aber grundsätzlich gab es nie Probleme. Ich hatte teilweise Lehrgänge, die eine Woche lang gingen und da gab es nie Probleme bei der Freistellung. Manche Lehrer haben das halt ein bisschen kritischer gesehen, wenn ich eine Woche nicht da war und andere haben mich dafür mehr unterstützt.

Wie gehst du mit Stresssituationen um, zum Beispiel wenn du noch Hausaufgaben erledigen musst und auch noch Training hast? Wie kriegst du das alles unter einen Hut?

Meistens klappt das ganz gut. Wenn ich für die Schule dann mal nur das Nötigste machen kann, setze ich Schwerpunkte: Welche Aufgaben muss ich wirklich machen, wo muss ich vielleicht nur in Stichpunkten arbeiten? Dann geht das eigentlich relativ gut, weil ich ja auch sehr nah an der Schule wohne und dadurch noch relativ viel Zeit habe für die Schule. Wenn ich dann zum Training fahre kann ich sonst die Zeit im Zug noch nutzen. In der Schule komme ich also noch recht gut zurecht und habe nicht so viel Stress, wie man vielleicht denkt.

Wie geht es gehst du oder dein Team mit Niederlagen um? Wie kommt ihr damit zurecht?

Also wir hatten jetzt eine sehr schwierige Saison, weil wir fast abgestiegen sind. Es gab da schon auch eine Phase, wo wir relativ viele Spiele hintereinander verloren haben. Und dann gibt es immer unterschiedliche Weisen, wie man damit umgehen kann: Manche probieren, direkt zum nächsten Spiel zu schauen und sagen „so Leute, passiert, weiter geht’s“. Andere hadern dann sehr noch mit dem Spiel. Ich finde es auch immer schwer und bin nach dem Spiel dann auch echt geknickt, wenn wir verloren haben. Man ist eben mit so viel Ehrgeiz dabei. Das ist dann so, aber einen Tag später muss man dann schon wieder nach vorne sehen. Ich denke, ich liege irgendwo mittig zwischen lange sehr traurig sein und sofort wegstecken können.

Was macht ihr, wenn ihr ein Spiel gewonnen habt? Gibt es dann eine Feier?

Es kommt immer darauf an, was das Spiel bedeutet. Es gibt ja große Spiele in der Saison, zum Beispiel ein Derby gegen Hannover. Wir hatten mal ein großes Spiel, das war das Finale der deutschen U17-Juniorenmeisterschaft und das haben wir gegen den SC Freiburg gespielt. In dem Spiel sind wir Deutscher Meister geworden und das haben wir dann am Allersee in Wolfsburg gefeiert. Wir haben uns dort (mit unseren Eltern und Freunden) zum Grillen getroffen und die Saison so ausklingen lassen. Wir haben auch schonmal einen Sieg mit einer Pizza gefeiert, die wir bestellt haben. Manchmal fahren wir aber auch einfach nach Hause, weil ein gewonnenes Spiel bringt auch nichts, wenn man die anderen verliert.

Lia Henkelmann (VfL Wolfsburg) WOLFSBURG, DEUTSCHLAND. 07.12.2019, FUSSBALL – VfL Wolfsburg vs 1. FC Union Berlin, Saison 2010/20, B-Juniorinnen Bundesliga, 11. Spieltag Fotograph: http://www.boris-schmelter.de

Denkst du manchmal, dein Leben ist zu einseitig auf den Sport ausgerichtet?

Naja, grundsätzlich ist es schon ein bisschen einseitig, ich habe ja eigentlich nur dieses eine Hobby Fußball. Ich mache das sechs mal die Woche und dann hab ich eben keine Zeit mehr für andere Hobbys. Aber trotzdem finde ich irgendwie immer noch Zeit für Freunde, Familie oder andere Dinge. Es ist vielleicht ein bisschen einseitig, aber ich habe ja Spaß an dieser Sache. Außerdem ist jedes Training unterschiedlich, jedes Spiel ist anders und von daher macht es immer Spaß. Deswegen würde ich es keinesfalls als langweilig bezeichnen.

Du warst ja früher auch hier am Stöckheimer Standort der Raabeschule. Wie sah es hier früher aus und hat sich hier irgendwas großartig verändert?

Oh, das ist jetzt auch schon über 5 Jahre her. Also hier in meinem alten Klassenraum hat sich natürlich einiges verändert: Das Smartboard war zum Beispiel noch nicht da. In der Pausenhalle standen auch noch viel mehr Tische (Tischtennisplatten oder Billardtische), aber so im Großen und Ganzen habe ich alles noch gut wiedererkannt 🙂

Welches war in dieser Zeit dein Lieblingsfach und hattest du damals eine Lieblingslehrkraft?

Also mein Lieblingsfach ist wirklich Mathe. Das sage ich jetzt nicht nur, weil Herr Paetzold hier mit dabei ist. Ich habe auch Mathematik als Leistungskurs gewählt. Mathe liegt mir irgendwie einfach ganz gut und macht noch immer Spaß. Eine wirkliche Lieblingslehrkraft? Das kann ich gar nicht so beantworten. Eine Lehrerin, die ich gerne im Unterricht hatte, ist Frau Schwenke – die hatte ich auch gleich für drei Jahre in Spanisch.

Gehst du denn gerne zur Schule?

Gerne zur Schule gehen ist natürlich so eine Sache. Im Lockdown hat man aber schon gemerkt, dass einem etwas fehlt. An Schule grundsätzlich gefällt mir einfach, dass man seine Freunde jeden Tag sieht und jeden Tag Zeit mit ihnen verbringen kann. Ich würde ich jetzt nicht sagen, dass ich besonders gerne zur Schule gehe aber auch nicht ungerne.

Wie schätzt du persönlich die Raabeschule auch im Vergleich zu anderen Schulen ein? Was macht die Schule für dich besonders?

Ich kenne seit vielen Jahren ja nur die Raabeschule und habe keinen wirklichen Vergleich zu anderen Schulen. Daher kann ich gar nicht sagen, was die Raabeschule besonders gut macht und was nicht. Grundsätzlich bin ich aber zufrieden mit der Schule. Was das Besondere an der Raabeschule ist, ist auch schwer zu sagen, weil ich ja keinen guten Vergleich habe. Aber ich höre durch Freunde ein bisschen von anderen Schulen zum Beispiel aus Wolfsburg. Ab und zu hört man dann schon, dass dort ein paar mehr Probleme mit den Lehrerkräften vorkommen, zum Beispiel wenn Spielerinnen wegen Lehrgängen oft fehlen. Das war bei mir halt eher weniger der Fall. Generell habe ich das Gefühl, dass wir eigentlich vergleichsweise gute Lehrkräfte. Und zum Beispiel technisch, also im Bereich der Digitalisierung, sind wir ja mittlerweile auch ganz gut ausgestattet. Natürlich gibt es auch immer mal wieder Probleme mit dem Tablet, aber es ist ja schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, und das gibt es an anderen Schulen häufig noch nicht.

Was hast du hier für besondere Erfahrungen mitgenommen?

Generell habe ich hier auf dieser Schule schon echt viele Menschen kennengelernt und viel fürs Leben mitnehmen können – einfach auch auf der sozialen Ebene. Ich bin auf diese Schule gekommen, da war ich 9 Jahre alt und jetzt bin ich fast 18! Das ist die Hälfte meines Lebens und da nimmt man schon einiges mit. Aus jeder Situation hat man dann irgendetwas gelernt: Ob der Umgang mit schlechten Noten, also der Umgang mit Misserfolgen oder auch der Umgang mit Erfolgen oder auch zum Beispiel Entscheidungen zu treffen. Das nimmt man hier irgendwie alles mit.

Lia Henkelmann (VfL Wolfsburg) BRAUNSCHWEIG, DEUTSCHLAND. 08.02.2020, FUSSBALL – Eintracht Braunschweig vs VfL Wolfsburg, Saison 2019/20, B-Juniorinnen Bundesliga Fotograph: http://www.boris-schmelter.de

Wie soll es denn bei dir nach der Schule weitergehen?

Nach dem Abitur will ich nach Amerika gehen, dafür schaue ich gerade nach einem Sportstipendium. Das ist für mich die Möglichkeit, Sport und Studium zu vereinen und das ist auf diese Art in Deutschland nicht möglich. Ich würde dann für eine Universität in den USA Fußball spielen und die Uni bezahlt mir dafür sozusagen das Studium. Ich bin jetzt im Austausch mit einigen Unis beispielsweise aus Kalifornien und Florida. Das mit der Bewerbung läuft ähnlich wie bei einem Schüleraustausch, es gibt dafür entsprechende Organisationen. Dafür wurde so eine Art Highlightvideo von mir erstellt. Die meisten meiner Spiele werden von meinem Verein aus aufgenommen, damit wir Videoanalysen im Nachhinein machen können. Aus diesen Videos haben wir dann die vielleicht besten Szenen zusammengeschnitten und dann an die einzelnen Universitäten geschickt. Wenn die Universitäten dann Interesse an mir hatten, dann haben diese von meiner Agentur meine Daten bekommen. Daraufhin fängt man an, mit diesen zu schreiben und zu telefonieren. Man bekommt dann zum Beispiel Bilder von deren Campus geschickt, also von dem Universitätsgelände, und von deren Team. Die Teams ändern sich ja immer wieder, da man ja nur für eine gewisse Zeit studiert und dann wird die Position irgendwann frei. Dann suchen die Unis eben immer nach Leuten, die die Position dann neu abdecken können. Ich will mich bis Ende Juli für eine Universität entschieden haben und losgehen soll es dann 2022 relativ bald nach dem Abi.

Lia, wir danken dir für das Gespräch.