MOSAiC-Expedition – Ehemalige Raabeschülerin forscht am Klimawandel

Der wichtigste Teil der MOSAiC-Expedition war natürlich die Forschung in der Arktis. In diesem Teil des Interviews mit der ehemaligen Raabeschülerin Anika Happe geht es darum, euch einen kleinen Einblick in dieses Gebiet zu verschaffen.

Es gab ja verschiedene Forschungsbereiche, die dann an der Expedition beteiligt waren. Könntest du diese nennen, damit man sich das besser vorstellen kann?

Es gab die fünf Forschungsbereiche Atmosphäre, Meereis, Ökosystem, Biogeochemie und den Ozean. Es gibt auch ein Logo von MOSAiC, wo genau die Bereiche zusammengestellt werden.  

Dann gab es ja wahrscheinlich unterschiedliche Gruppen, die dann verschiedene Forschungsarbeiten betrieben haben. Wie liefen die denn genau ab, und in welchen Bereichen hast du gearbeitet?

Anika nimmt einen Eisbohrkern (Bild von Carrie Harris)

Bei uns auf dem Schiff war alles ein bisschen anders als auf der Polarstern, würde ich sagen. Bei uns war es eher so, dass schon jede*r Studierende seinen Bereich hatte. Ich war eher im Bereich Ökosystem positioniert, einfach weil ich auch in meinem Studium in Richtung Biologie orientiert bin. Dadurch, dass wir dieses Messnetz aufgebaut haben und nicht selber die Daten erhoben haben, wie das jetzt auf der Polarstern der Fall ist, war das ein bisschen anders. Es gab so ein großes Brett bzw. Plakat bei uns im Flur auf dem Schiff, wo die Wissenschaftler*innen, die auf dem Schiff oder auf dem Eis Hilfe brauchten, einfach drauf geschrieben haben, was die für Aufgaben zu vergeben haben. Und in welchen Bereich das so fällt. Dort konnte man sich dann eintragen und die Leute direkt ansprechen. Das waren eher Aufgaben, die vielleicht auch eher in Richtung Logistik gingen, also Messinstrumente aufs Eis bringen und da aufbauen… Aber was ich hauptsächlich gemacht habe ist, dass ich bei der „Sea Ice survey“ teilgenommen habe. Da ist es hauptsächlich so gewesen, dass man Meereis- und Schneedicke gemessen hat. Wir sind da mit einer Art Schlitten in bestimmten Mustern über das Eis gelaufen und das Gerät hat dann die Meereisdicke gemessen. Wir hatten auch noch einen Stab, mit dem man automatisch die Schneedicke messen konnte. Außerdem haben wir noch Eisbohrkerne genommen. Die haben wir dann mit ins Schiff reingenommen, in ein kleines improvisiertes Labor. Dort haben wir dann die Eisbohrkerne in etwas zehn Zentimeter große Stücke geschnitten, aufgetaut, filtriert, und geschaut, was für Sediment da drin ist. Das alles gehört eigentlich eher in den Bereich Meereis, statt in den Bereich Ökosystem, aber es ist ja auch spannend einen Einblick in die anderen Bereich zu bekommen. Da das Team „Ökosystem“ hauptsächlich auf der Polarstern aktiv war, war bei uns in dem Bereich relativ wenig zu tun.

Das beantwortet jetzt schon fast meine nächste Frage. Was war denn so dein Eindruck, was die Forschungsarbeiten angeht: hast du den Großteil eher an Bord oder auf dem Eis verbracht?

Während der Ice Floe Survey. Anika ist hinten mit dem Schlitten zur Messung der Eisdicke. Ewa misst vorne die Schneetiefe. Ganz vorne steht der Eisbärenwächter, der die Grenzen des Gebietes, das betreten werden durfte, markiert. (Bild von Jari Haapala)

Eigentlich hat man schon viel Zeit auf dem Schiff verbracht, einfach weil die Reise dorthin erstmal schon fast zwei Wochen gedauert hat. Ich glaube, wir waren circa anderthalb Wochen oder vielleicht auch zwei Wochen wirklich im Eis, in denen wir auch wirklich dort arbeiten konnten. Alles andere haben wir auf dem Schiff verbracht, also Hin- und Rückreise und ich glaube, ich war eine von denen, die relativ viele Möglichkeiten hatte, aufs Eis zu gehen. Es war schon so, dass immer nur so viele Leute auf das Eis gehen sollten, wie gebraucht wurden, weil natürlich auch immer ein bisschen Risiko dabei ist. Deswegen haben die nicht gesagt „Ja geht alle, macht was ihr wollt“. Aber ich habe schon viele Möglichkeiten bekommen, das war toll. Während das Messnetz aufgebaut wurde, war ich wirklich auch viel auf dem Eis. Da war ich wirklich hauptsächlich mit dem Schlitten unterwegs, zum Messen der Schnee- und Eisdicke. Ich war weniger daran beteiligt, Messinstrumente auf das Eis zu tragen.

Da hast du ja ein bisschen Glück gehabt!

Was meinst du, hat dir die Reise so für dein Studium gebracht? Also konntest du da irgendwie Wissen weiterverwenden, oder wie hat dich das so beeinflusst?

Für mein Studium konnte ich mir die Expedition als Forschungspraktikum anrechnen lassen, was natürlich ein positiver Nebeneffekt war. Ansonsten habe ich auch sehr viel persönlich mitgenommen. Ich habe gemerkt, dass ich auf jeden Fall in der Wissenschaft arbeiten will. Also wenn man einmal diese Erfahrung gemacht hat, dann zu wissen „Okay, das ist genau das, was ich machen will“, das ist schon ein schönes Gefühl. Auch das mit der Wissenschaftskommunikation, dass mir das so bewusst geworden ist, das hab ich auch mitgenommen. Und natürlich noch viel, viel mehr Bewusstsein für den Klimawandel selbst. Ich glaube, wenn man das alles einmal mit eigenen Augen gesehen hat, ist das nochmal eine ganz andere Sache, als wenn man irgendwie davon hört oder liest.

Und auch so ein großes Netzwerk an Wissenschaftler*innen in der ganzen Welt. Wenn ich irgendwie eine bestimmte Frage zu einem bestimmten Thema habe, weiß ich wer das wissen könnte, weil er oder sie sich damit beschäftigt. Dann hat man irgendwie immer eine Anlaufstelle, das ist auch sehr schön. Oder wenn man Lust hat, ein Projekt in eine bestimmte Richtung zu entwickeln, dann weiß man auch wer sich damit beschäftigt und wen man fragen kann.

Das finde ich auch echt gut, dass man jetzt so viele Leute kennt. Mit einigen bin ich auch jetzt immer noch befreundet und die sehe ich regelmäßig, zum Beispiel die, mit denen ich auf einer Kabine übernachtet habe.

Das hat alles meine Motivation und meinen Antrieb gestärkt, für die Wissenschaft und das Thema.

Das klingt alles sehr spannend, aber ich frage jetzt trotzdem. Du warst ja auch bei relativ vielen Experimenten beteiligt. Gab es auch Experimente, bei denen du dir so dachtest: Das ist jetzt aber ganz schön langweilig? Oder warum machen wir das jetzt hier? Wenn du das sagen möchtest…

Die „Gangway“ über die man auf das Eis gehen konnte und
die Kräne, die beginnen die Instrumente auf das Eis zu laden. (Bild von Anika)

Dass ich jetzt gedacht habe „Warum machen wir das überhaupt?“, kam eigentlich nie vor, weil jeder Handgriff ja schon seinen Sinn hatte. Schließlich wurde alles von den weltweit cleversten Köpfen auf ihren jeweiligen Fachgebieten schon jahrelang geplant, da kann man sich sicher sein, dass alles mindestens dreimal durchdacht wurde! Natürlich gab es Aufgaben die körperlich anstrengend waren, wenn man mehrere Stunden am Stück mit den vielen Lagen an Kleidung, dem Polaranzug und den Stiefeln auf dem Eis unterwegs war. Aber man war sich trotzdem die ganze Zeit klar darüber, dass das ein absolutes Privileg ist auf dem Meereis zu stehen mit über zwei Kilometern Wasser darunter und langweilig wurde es deswegen definitiv nie! 

Wie war das denn mit der Auswertung? Hast du dich irgendwie hinterher noch mal darüber informiert oder wurdet ihr darüber informiert, was jetzt genau die Ergebnisse von euren Versuchen waren?

Es ist tatsächlich schon eine wissenschaftliche Publikation daraus entstanden, wo die Ergebnisse der „Sea Ice Survey“ und der Eisbohrkerne ein bisschen mit eingeflossen sind. Aber der größte Teil der Ergebnisse, auf den alle so gespannt warten, werden die Wissenschaftler*innen sich im Herbst in Potsdam gegenseitig vorstellen, woraufhin sicherlich viele wissenschaftliche Publikationen folgen werden. Das ist auch ganz spannend, da kommen alle Beteiligten an dem Projekt, und auch die Wissenschaftler*innen mit ihren Ergebnissen zusammen, treffen sich in einem Konferenzhotel, halten Vorträge für einander und zeigen, was sie gefunden haben und was ihre Analysen ergeben haben. Dass man sich nochmal trifft, nochmal vernetzt, nochmal darüber spricht beziehungsweise diskutiert, das finde ich irgendwie auch ganz schön, dass das jetzt nochmal wirklich alles zusammengetragen wird. Da kann ich dann wahrscheinlich auch teilnehmen, das ist zumindest in Planung und dann würde ich mit zwei oder drei weiteren von der Summer-School wohl auch einen Vortrag halten, und erzählen was die MOSAIC-School gemacht hat, und was wir jetzt in die Öffentlichkeit getragen haben an Projekten. Das heißt, dass wir auch unseren Teil präsentieren und beitragen.

Das klingt echt spannend! Glaubst du, dass die Ergebnisse auch einen Wandel in der Klimapolitik bewirken könnten? Wenn man da wirklich so handfeste Untersuchungen hat, dass die dann auch positive Auswirkungen auf die Klimapolitik haben könnten?

Zunächst einmal wäre es natürlich super, wenn die Ergebnisse so runtergebrochen werden, dass viele Menschen das verstehen. Je mehr Menschen das Problem verstehen, desto größer werden auch die Forderungen der Bevölkerung, Politik auf der Grundlage von Wissenschaft zu machen. Und natürlich auch umgekehrt, dass Politiker*innen ihre Entscheidungen besser rechtfertigen können. Vorausgesetzt natürlich, dass die auch auf Wissenschaft beruhen. Gerade jetzt im Hinblick auf die anstehende Bundestageswahl ist es super entscheidend, so vielen Menschen wie möglich klar zu machen, dass es womöglich die letzte Bundesregierung ist, die das Ruder noch rumreißen kann. Es gibt ja einige Parteien, die wissenschaftliche Tatsachen immer wieder kleinreden, und andere, die den Dialog mit der Wissenschaft wirklich aktiv suchen. Bei kaum einer anderen Expedition wurde so viel Fokus auf Wissenschaftskommunikation, Medienpräsenz und Berichterstattung gelegt, wie bei MOSAiC. Das ist schon beeindruckend! Für viele MOSAiC-Wissenschaftler*innen selbst ist es wahrscheinlich auch eine persönliche Motivation dahinter, was sie in der Arktis angetrieben hat: Dass man das Ausmaß der Klimakrise besser verstehen und voraussagen kann, mit den Ergebnissen und Modellen Aufmerksamkeit erregt und hoffentlich irgendwie das Umdenken in der Gesellschaft beschleunigt.

Im nächsten Teil des Interviews geht es um das Leben an Bord in der Arktis!