Sechs Wochen lang in der Arktis zu verbringen, ist ein ganz schönes Abenteuer. Im dritten und letzten Interview-Teil haben wir mit Anika über das Leben an Bord eines Forschungsschiffes gesprochen, und was es dabei für Herausforderungen gibt.
Du hattest du ja schon gesagt, dass du 6 Wochen unterwegs warst. Wo seid ihr denn überhaupt gestartet?
Wir sind von Tromsø in Norwegen gestartet.
Raabeblog: Das war ja dann schon im Herbst, das heißt die Tage werden immer kürzer, auch bei uns. War es dann immer sehr lange dunkel? Und wenn ja, hat dich oder die anderen Student*innen das irgendwie beeinflusst?
Es ging tatsächlich. Also am Anfang hatten wir schon noch einen recht geregelten Tag-Nacht-Rhythmus. Aber während wir dann wirklich im Meereis waren und es dann auch gegen Ende unserer Zeit in der Arktis ging, ist die Sonne dann auch nicht mehr über den Horizont gekommen. Man hat schon noch immer das Sonnenlicht gesehen, also es war dann praktisch wie ein Sonnenaufgang und Sonnenuntergang gleichzeitig, aber die Sonne ist nie über den Horizont gekommen. Das war immer so ein schönes Licht über dem Eis.Ich kann mich auch erinnern, dass jemand das ziemlich treffend „suntouch“ genannt hat, also nicht „sunrise“ und nicht „sunset“, sondern einfach „suntouch“. Das hat das irgendwie ganz gut beschrieben. Es war dann natürlich schon wirklich lange dunkel. Zumindest bei uns war es bei den meisten so, dass wir das gar nicht richtig gemerkt haben, dass das einen Einfluss auf uns hatte. Erst als wir dann aus dem Eis wieder rausgefahren sind und wieder den ersten Sonnenaufgang gesehen haben, haben wir dann schon gemerkt, dass das irgendwas in uns ausgelöst hat, das ist so ein richtiges Glücksgefühl gewesen.
Aber ich glaube, das ist auch nochmal etwas anderes, als wenn man für mehrere Monate auf der Polarstern wirklich in der komplett dunklen Polarnacht ist, als wir jetzt für zwei Wochen.
Das kann ich mir vorstellen.
Ihr habt natürlich auch viel geforscht oder wart an den Experimenten beteiligt, aber wieviel Freizeit hattet ihr dann auch so nebenbei?
Eigentlich ist Freizeit nicht zu kurz gekommen. Während der Zeit im Eis, in der wir die ganzen Messinstrumente aufgebaut haben und an Projekten gearbeitet haben, war die Freizeit ein bisschen kürzer. Aber auf der Hin- und Rückfahrt, die ja auch ziemlich lang war, hatten wir schon echt viel Freizeit und haben ganz, ganz viele Sachen gemacht. Es gab eine Art Kinoclub, wo wir dann immer so eine Leinwand, na ja, eher ein Tuch, aufgehangen haben, und wir hatten einen kleinen Projektor und haben dann Filme geguckt. Es gab Leute, die haben verschiedene Sportkurse angeboten. Eine Wissenschaftlerin hat jeden Morgen Yoga angeboten, das war auch total cool. Dann gab es noch jemanden, der hat Crossfit angeboten, also haben wir dann auch bei Minus 20 Grad draußen auf dem Deck vom Schiff Liegestütze und andere Fitnessübungen gemacht. Es gab noch jemanden der hat uns Martial Arts ein bisschen beigebracht.
Also Freizeit war auf jeden Fall einige da, aber es ist natürlich irgendwie auch durch den knappen Raum begrenzt, was du auf einem Schiff machen kannst.
Und wie wart ihr untergebracht? Du hattest ja schon gesagt, dass du dann deine Kabine geteilt hast. Wie viele Leute waren dann da mit dabei?
Ich hatte eine Kabine mit zwei anderen Studentinnen, die auch an der MOSAiC-School teilgenommen haben. Eigentlich sind die Kabinen für bis zu vier Leute ausgerichtet. Es gibt zwei Betten unten, und dann gibt es noch zwei Betten, die man von oben runterklappen kann. Ich hatte eine Französin und eine Italienerin dabei, mit denen ich jetzt auch noch gut befreundet bin. Wir hatten dann auch einen kleinen Schreibtisch, jeder hatte einen spindgroßen Schrank und wir hatten auch noch ein eigenes, sehr kleines Badezimmer mit einer Dusche und einer Toilette. Also es war alles natürlich klein, aber man kommt auf jeden Fall gut klar.
Wie war so das Essen an Bord? Ich kann mir vorstellen, dass das schwierig war, mit frischem Essen. Habt ihr da eine Versorgung bekommen?
Frisches Gemüse oder Obst war hauptsächlich am Anfang der Reise vorhanden, irgendwann ist es halt logischerweise nicht mehr frisch, weil man ja auch nicht nachkaufen kann. Deswegen ist das Essen am Anfang relativ bunt, und dann wird es ein bisschen einfarbiger und eintöniger. Ansonsten hat das Essen auf jeden Fall immer gereicht und es war auch immer gut und die Köch*innen waren auch super lieb. Dadurch, dass ich vegetarisch esse, war es für mich wahrscheinlich ein bisschen schwieriger. Die haben sich natürlich schon bemüht und haben auch vegetarische Optionen angeboten.
Aber die Köch*innen waren wirklich ganz toll und haben zwischendurch auch Geburtstagstorten gebacken oder spezielles Gebäck.
Du warst ja auf einem anderen Schiff, also nicht direkt auf der Polarstern. Wart ihr da nur Student*innen oder waren da auch noch andere Forschende dabei? Und wie war so die Altersstruktur?
Das waren von uns die 20 Studierenden und dann kamen noch mehr Wissenschaftler*innen an Bord, als wir Student*innen waren. Ansonsten hatten wir noch einen Lehrer und drei Lehrerinnen dabei, vier Journalist*innen und ein Mitarbeiter von derUFA, der die Filmproduktion von der MOSAiC-Expedition mitgemacht hat. Ansonsten waren auf dem Schiff natürlich noch viele Crewmitglieder, und außerdem Pilot*innen und die Eisbärenwächter*innen.
Ich fand die Durchmischung sehr spannend, mit Menschen aus dem Journalismus, aus der Schule, aus der Wissenschaft und noch ganz junge Wissenschaftler*innen, die noch im Studium sind. Dass das sozusagen zusammengemischt wurde, und alle auch ganz unterschiedliche Vorstellungen haben , aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen und aber an einem Projekt arbeiten. Ich glaube, dadurch sind auch unsere Projekte beeinflusst worden. Es war ganz schön, dass man so zusammenarbeiten konnte.
Zum Altersdurchschnitt: Ich glaube, dass wir den ziemlich runtergedrückt haben, aber etwas zur Altersverteilung kann ich gerade gar nicht sagen. Das war sehr gut durchmischt, denke ich.
Ich habe gelesen, dass auf der Polarstern insgesamt über 60 mal Eisbären gesichtet wurden. Hast du auch Eisbären gesehen?
Ja, wir haben welche gesehen. Das war immer eine Eisbärenmutter mit ihrem Kind, das waren irgendwie immer die beiden, die dann das Schiff spannend fanden, weil sonst ja in der Arktis nicht so viel los ist. Und wenn da auf einmal so ein riesiges Schiff ist, ist das ja wahrscheinlich schon etwas, was man interessant findet. Und da haben sie uns so ein bisschen verfolgt und haben sich immer wieder blicken lassen. Die waren sehr süß, man hat immer eine kleine schwarze Nase und die zwei Augen, irgendwo in diesem Eis gesehen. Einmal sind die beiden auch super nah ans Schiff gekommen, ich schätze, die waren so 5 Meter vom Schiff entfernt, sind da lang spaziert und haben sich das angeguckt.
Bei mir war das so, dass nie irgendeine Situation gefährlich war. Klar hatten wir immer einen Eisbärenwächter oder eine Eisbärenwächterin auf dem Eis mit und es haben auch immer welche von uns, die gerade nichts auf dem Eis zu tun hatten, ganz oben am Schiff mit Ferngläsern Ausschau gehalten und es gab auch noch eine Wärmebildkamera. Es war schon wirklich so, dass die ganze Zeit geschaut wurde, aber es kam nicht zu einer Situation, dass die beiden gerade da waren, wenn wir auf dem Eis waren. Ich habe mich eigentlich die ganze Zeit sicher gefühlt. Es war auch nie so, dass wir einen Alarm hatten, dass wir alle schnell auf das Schiff müssen. Ich glaube, bei der Polarstern kam das schon vor, aber bei uns nicht.
Vielen Dank für deine Antworten und dass du dir Zeit für unser Interview genommen hast. Ich fand es sehr interessant!