Transfeindlichkeit und geschlechtliche Selbstbestimmung

Von Florian Schwarz und Clara Naumann für die AG für Vielfalt

Der 17. Mai ist internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit. Wir wollen diese Gelegenheit nutzen und über Transpersonen sprechen. Diese Menschen und ihre Identität werden, vor allem in den sozialen Medien, immer wieder in intensiven Debatten diskutiert. Dabei wird oft spürbar, dass es viele Vorurteile gegen Transmenschen gibt und Wenige wirklich wissen, wer diesen Personen sind oder was sie ausmacht.

Biologisches Geschlecht vs Soziales Geschlecht vs Geschlechtsidentität

Um zu erkennen, was Transgender eigentlich bedeutet, ist es wichtig, die Unterschiede zwischen biologischem und sozialem Geschlecht, sowie der Geschlechtsidentität zu verstehen.

Fangen wir mit dem biologischen Geschlecht an. Überaschenderweise gibt es besonders hier viele Missverständnisse und falsche Informationen. Dass es biologisch nur zwei Geschlechter gibt, ist nämlich überholt und unwissenschaftlich. Man muss zunächst verstehen, dass die Geschlechter biologisch nicht so klar eingeteilt sind, wie es viele denken. Faktoren, die bei der Einteilung beachtet werden, sind die Geschlechtschromosomen, der Hormonspiegel sowie die äußeren und inneren Geschlechtsmerkmale. Diese verschiedenen Faktoren können sich aber teilweise widersprechen.

Zum Beispiel hat eine Person die äußeren Geschlechtsmerkmale einer Frau, aber einen Hormonspiegel, wie er meist bei Männern vorkommt. Diese Personen nennt man Intersex. Intersex-Personen sind nicht klar als männlich oder weiblich einzuordnen. Und so selten sind diese Menschen nicht. Die UNO schätzt ihren Anteil an der Weltbevölkerung auf etwa 1,7%. Rothaarig sind auch nur 1-2% der Menschen, und die meisten von uns kennen wahrscheinlich mindestens eine Person mit roten Haaren. Viele Menschen wissen allerdings auch nicht, dass sie Intersex sind, da es nicht direkt von außen erkennbar ist und man bestimmte Tests machen müsste oder weil es nach der Geburt eine Operation nach Wunsch der Eltern gab, die sich dann dagegen entschieden haben, es ihrem Kind zu erzählen. Die biologischen Grenzen zwischen Geschlechtern sind also eher fließend und es gibt eine sehr vielfältige Ausstattung von geschlechtsbestimmenden Faktoren.

Das soziale Geschlecht bestimmt, was als etwas Männliches oder Weibliches definiert wird. Es definiert die gesellschaftlichen Erwartungen an, Etikette für und wertgeschätzten Verhaltensweisen an Männern und Frauen. Es ist ein Konstrukt, das sich über Jahrtausende immer wieder verändert hat. Pink wird heutzutage als eine Farbe für Mädchen oder Frauen angesehen, doch vor ein paar hundert Jahren waren es hauptsächlich adlige Männer oder Jungen, die diese Farbe trugen. Es geht um die Rolle, die wir als Frau oder Mann einnehmen sollen. Viele Vorstellungen des sozialen Geschlechts werden uns seit wir klein sind über Erziehung und Medien wie Fernsehen, teilweise auch unbewusst, vermittelt. Auch beeinflussen diese Ideen stark, wie wir die Welt wahrnehmen. Natürlich arbeiten schon sehr lange Menschen daran, besonders die sich stark negativ auf uns auswirkenden Vorurteile abzuschaffen. Trotzdem spielt das soziale Geschlecht bei uns allen immer noch eine Rolle im Leben.

Bei der Geschlechtsidentität geht es um die Eigeneinschätzung und die persönlichen Gefühle zum eigenen Geschlecht. Es gibt biologische Frauen, die sich als Männer fühlen, Intersex Personen, die sich als Mann identifizieren, biologische Männer, die sich zu keinem Geschlecht zuordnen wollen oder einfach eine biologische Frau, die sich auch so fühlt. Da das soziale Geschlecht etwas menschengemachtes und nichts Natürliches ist, ordnen sich Menschen auch auf sehr verschiedene Arten ein. Es geht hierbei besonders um das Wohlbefinden des Einzelnen und die Möglichkeit, ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Da Gefühle etwas sehr Einzigartiges und Persönliches sind, gibt es bei der Geschlechtsidentität eine große Vielfalt.

Wer genau sind Transmenschen?

Geschlecht ist also deutlich komplizierter, als es Viele denken. Dazu ist das soziale Geschlecht bei den meisten Kulturen binär und gibt eher wenig Raum für Selbstauslebung. Nun gibt es aber Menschen, deren biologisches Geschlecht und die passende soziale Rolle nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen. Diese Menschen bezeichnet man als Transgender. Aber ist das auch wissenschaftlich? Diese Frage beantwortet die YouTuberin Mai Thi Nguyen-Kim (maiLab) in ihrem Video „Die Wissenschaft hinter Transgender“ (https://www.youtube.com/watch?v=YwwHAVk0SQ8). Sie erklärt, was für eine Rolle das Gehirn aber auch Gendernormen in Bezug auf das Geschlecht in unserer Gesellschaft haben.

Welche Diskriminierungs-Erfahrungen machen Transgendermenschen in unserer Gesellschaft?

Die Vorstellung davon, dass es zwei Geschlechter gibt und ab der Geburt feststeht, welches Geschlecht ein Mensch hat, ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Dazu führen Gendernormen, feste Vorstellungen von Männern und Frauen. In diese Vorstellungen passen Transgenderpersonen wie auch nicht-Binäre oder queere Menschen oft nicht. Viele Menschen verstehen nicht richtig, was es heißt, Transgender zu sein, weigern sich aber auch oft zu lernen. So kommt es täglich zu Diskriminierungserfahrungen, mit denen Transpersonen leben müssen bzw. gegen die sie ankämpfen müssen. Neben individuellen Erfahrungen von Diskriminierung und Transphobie durch Mitmenschen, gibt es auch Gesetze und Strukturen, die von Kritiker:innen und Betroffenen als transfeindlich angesehen werden.

Ein Beispiel ist das Transsexuellengesetz, das durch das Selbstbestimmungsgesetz bald ersetzt werden soll. Aufgrund des Transsexuellengesetzes müssen Transmenschen, um ihr Geschlecht offiziell zu ändern, ein langwidriges Gerichtsverfahren, für das auch ärztliche und psychologische Gutachten nötig sind, durchlaufen. Betroffene beklagen unter anderem unangemessene Fragen, zum Beispiel über sexuelle Vorlieben, beantworten zu müssen. Solche Fragen sind unangebracht und irrelevant. Somit ist die Hürde, das Geschlecht offiziell zu ändern, durch hohe Kosten (bis zu 3.000€) und viel aufzuwendende Mühe, Vielen zu groß.

Jetzt hat die Ampel-Koalition (FDP, SPD und Die Grünen) beschlossen, das Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg zu bringen. Es soll Betroffenen ermöglichen durch einen einmaligen Termin am Standesamt das offizielle Geschlecht sowie den Namen zu ändern. Vor einigen Tagen wurde der Gesetzentwurf veröffentlicht, doch wieder gibt es Kritikpunkte. Denn nach dem Gesetzesentwurf, würden Transmenschen nicht in allen Teilen des gesellschaftlichen Lebens den Status ihres Geschlechts erhalten. Zum Beispiel würden Transfrauen, die ihr Geschlecht standesamtlich geändert haben, trotzdem im Kriegsfall eingezogen werden. Außerdem würden nach Begehen einer Straftat Transmänner in Frauengefängnisse und Transfrauen in Männergefängnisse gebracht werden. Demzufolge müssen Transmenschen (wie auch Nichtbinäre) immer noch einen oft langen und teuren Weg gehen, damit ihre Geschlechtsidentität akzeptiert wird. Aber selbst, wenn sie diesen gehen, werden sie zwar von offiziellen Ämtern anerkannt, von vielen Mitmenschen jedoch nicht. Das Selbstbestimmungsgesetzt gilt für Betroffene als Schritt in die richtige Richtung, obwohl sich viele mehr erhofft haben.

Dieses Thema ist in der Politik sehr umstritten und das Selbstbestimmungsgesetz wird von vielen Parteien abgelehnt. In offiziellen Reden von Gegnern finden sich dabei oft transphobe Aussagen. So sprach die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch die Abgeordnete Tessa Ganserer mit falschen Pronomen an und bezeichnet sie als Mann. Der offizielle YouTube-Account der AfD postete einen Teil dieser Rede und feierte sie mit dem Kommentar: „Köstlich! Von Storch erklärt Trans-Hype“.

Aber auch die Union hat in 14 Jahren Regierung trotz Kritik das Transsexuellengesetz nicht abgeschafft und durch ein besseres Gesetz ersetzt. Daher wurden auch sie damit konfrontiert Transmenschen nicht genug zu schützen. Erst Anfang Mai zogen CSU-Politiker wie Andreas Scheuer die Aufmerksamkeit auf sich, da sie sich mit dem republikanischen US-Gouverneur DeSantis getroffen und Gruppenfotos über Social-Media geteilt haben, in denen sie die gute Zusammenarbeit mit ihm betonten. DeSantis beschloss jedoch vor kurzem Gesetze bzw. will in Zukunft Gesetze beschließen, die als transphob und queerfeindlich angesehen werden. Zum Bespiel ist es Lehrern untersagt, über sexuelle Orientierung (und auch strukturellen Rassismus) zu lehren und die Entscheidungsfreiheit von jungen Menschen wird immer weiter eingeschränkt. Auch ist ihm zu verdanken, dass transgender Kinder legal ihren Eltern entzogen werden.

Abschließend lässt sich sagen: Der Kampf gegen Transfeindlichkeit muss also politisch und gesellschaftlich weiterhin geführt werden. Es ist dazu ein Kampf gegen verbreitete Gendernormen in einem konstruierten binären Geschlechtssystem und auch ein queerfeministischer Kampf gegen das Patriarchat. Es ist besonders wichtig, dass wir alle Transmenschen zuhören, von ihnen lernen und in Solidarität mit ihnen stehen. Nur so können wir helfen die Welt etwas sicherer und angenehmer für Transpersonen zu machen.

Quellen:

WDR aktuell: Selbstbestimmungsgesetz: So soll es Trans-Personen helfen, https://www.youtube.com/watch?v=zv60IOeS0c4

Tageschau: Entwurf für neues Selbstbestimmungsgesetz steht, (https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/selbstbestimmungsgesetz-gesetzentwurf-100.html)

Ausschnitt der Reden von von Storch https://www.youtube.com/shorts/SE2r6fufKKg

Tagesschau: Kritik an CSU-Politikern nach Besuch bei DeSantis, https://www.tagesschau.de/inland/csu-usa-desantis-100.html

Independent: Ron DeSantis speaks after Florida passes bill allowing trans children to be removed from parents, https://www.independent.co.uk/news/world/americas/ron-desantis-washington-speech-trans-children-b2324371.html

Welt: Floridas Gouverneur DeSantis will Unterricht über sexuelle Orientierung komplett verbieten, https://www.welt.de/politik/ausland/article244444174/Florida-DeSantis-will-Unterricht-ueber-sexuelle-Orientierung-komplett-verbieten.html

Spiegel: Florida verbietet geschlechtsangleichende Behandlungen für Minderjährige, https://www.spiegel.de/ausland/florida-verbietet-geschlechtsangleichende-behandlungen-fuer-minderjaehrige-a-68fc0f29-4d7c-420a-9ce0-a0e0c9802232

Bildquelle: Ted Eytan – https://flic.kr/p/UXoYEX