Fridays For Future – Eine Bewegung im Abwärtstrend?

Eine Protestbewegung am Laufen zu halten, ist sowieso schon eine Herausforderung. In diesem Teil des Interviews mit Nele von Fridays For Future (FFF) Braunschweig geht es darum, wie das funktionieren kann und wo Probleme liegen.

Caroline (C): „Wir würden uns dann jetzt mit eurer Entwicklung als Bewegung beschäftigen. Es hat ja alles mit Greta Thunberg in Stockholm angefangen, aber seit wann gibt es euch in Braunschweig?“

Nele (N): „Die Ortsgruppe hier hat sich Anfang/Mitte Januar 2019 gegründet. Tatsächlich war das sogar verhältnismäßig sehr früh. Ich glaube, wir waren die erste Ortsgruppe hier im Großraum.“

C: „Sind eure Demonstrationen denn, mal abgesehen von Corona und dem Lockdown, vorher eher gewachsen oder habt ihr da auch schon gemerkt, dass es eher zurückgeht? Es gab ja schon einen regelrechten „Hype“ am Anfang.“

N: „Bis zum 20.09.2019 hatten wir stabile bis wachsende Demozahlen, dann am 20.09. ja 8000, was richtig gut war. Danach hat es ein bisschen nachgelassen, da haben wir dann aber auch den Rhythmus ein bisschen verlangsamt. Am 29.11.2019 hatten wir nochmal ungefähr 4000 und über den Winter ist es dann deutlich weniger geworden, da hatten teilweise auch echt Probleme, noch Leute zusammenzukriegen […] Das war dann ein bisschen ärgerlich, aber in den letzten Monaten, wenn wir Demos gemacht haben, waren es auch wieder mehr. Da haben wir dann wieder die 100, teilweise 200 gehabt. Und am 25.09.2020 dann sogar über 1000 Teilnehmer*innen.“

C: „Ah, das war ja dann erst vor kurzem.“

N: „Ja genau, das war tatsächlich unsere letzte Demo.“

C: „In welchem Rhythmus habt ihr das dann am Anfang gemacht und inwiefern hat das jetzt nachgelassen?“

N: „Also ganz am Anfang war es, glaube ich, fast wöchentlich […] Dann sehr lange zweiwöchentlich und wenn irgendwelche besonderen Freitage anstanden, haben wir da auch etwas gemacht. Und jetzt ist es gerade so, dass wir immer etwas machen wollen, wenn etwas ansteht und wir versuchen, einmal im Monat etwas zu machen, was sich ganz gut verwirklichen lässt. Außer es ist jetzt wieder Corona…

[…]“

C: „Jetzt mal auf einer ein bisschen kritischeren Ebene, würdest du generell irgendetwas an FFF kritisieren? […] Was mir dazu eingefallen ist, ist dass man ja immer wieder hört, dass es so eine gewisse Privilegiertheit in der Bewegung gibt.“

N: „Diese Privilegiertheit merke ich, das ist ein Fakt. Daran lässt sich zwar arbeiten, aber das passiert irgendwie nicht und das ist so ein ganz großes Problem. […]“

Dazu kommt dann noch ein gewisser Personenkult um so Leute wie Luisa Neubauer, die man immer wieder sieht. Das ist in der Bewegung manchmal sogar wie ein Meme, dass Luisa wieder irgendwo ist. Das ist schwierig, gerade weil die Medien so an ihr hängen […].

Auch, dass andere Ortsgruppen irgendwie andere Meinungen vertreten als andere, da fehlt teilweise der Konsens.

Noch so ein Ding sind die Strukturen. Die sind superkompliziert. Also ich merke das selber, ich bin bald seit anderthalb Jahren dabei und musste mir jetzt trotzdem noch die Struktur von irgendeiner AG erklären lassen, in der ich jetzt aktiv werden will. Das geht nicht.

C: „Und dann ist die Entwicklung jetzt natürlich auch wegen Corona eher negativ, wo ihr dann natürlich nichts für könnt. Aber in welchem Maße hat euch das jetzt beeinflusst? Demos konnten nicht mehr stattfinden, was war da noch?“

N: „Wir haben ganz viele Leute verloren, die wir vielleicht noch holen hätten können. Und es war für uns auch erstmal eine Herausforderung, zu gucken, was können wir überhaupt, was nicht auf der Straße ist.

Wir haben das dann erstmal mit Webinaren versucht, aber da erreicht man eh nur die Leute, die sowieso schon drin sind. Und dann musste man irgendwie mal umdenken, aber auch kreativ werden. Das war gut, weil wir jetzt Aktionsformen entwickelt haben, die wir mit Abstand machen können, wir hatten ein Die-In mit Dominosteinen. Die sind dann pressewirksam und können es gut in die Braunschweiger Zeitung schaffen, aber man braucht nicht so viele Leute. Das war ein richtig wichtiger Schritt.“

C: „Aber es ist trotzdem so, dass immer noch wenig neue Leute dazukommen?“

N: „Ja. Wir haben gerade in Braunschweig das Problem, dass wir AKs haben, die absolut unterbesetzt sind. Das hatten wir ganz lange mit der Öffentlichkeitsarbeit, dass wir nur ein, zwei Leute waren und alles machen mussten. Und das baut sich langsam wieder auf, weil wir neue Students haben, die zum Semester angefangen haben, aber man muss die auch erstmal finden.“

C: „Das heißt wir haben hier mit unserem Interview Glück gehabt.“

N: „Ja! Aber irgendwen findet man bei uns immer. Meistens die gleichen drei Leute.“

C: „Ihr seid dann also auf Webinare und irgendwelche anderen Aktionen umgestiegen, grundsätzlich kann man aber sagen, dass Corona eurer Bewegung geschadet hat?“

N: „Ja, wobei wir natürlich versuchen, das Beste draus zu machen.“

C: „Ja klar. Und wenn die Proteste jetzt anscheinend auch digital weitergelaufen sind, muss ich als Außenstehende schon sagen, dass ich davon wenig mitbekommen habe. Würdest du sagen, dass das Thema nicht mehr genügend Medienwirksamkeit generiert? Hättest du da Verbesserungsvorschläge?“

N: „Ich glaube, wenn wir wollen, können wir immer noch. Das Problem war, dass wir sehr viel, beispielsweise auf Instagram, umgeswitched sind und das erreicht die Medien, vor allem die öffentlich-rechtlichen, einfach nicht mehr so. Aber wenn man dann so eine Aktion wie in Berlin hat, wie zum 24.04., wo wir diese Schilder vor dem Bundestag hatten, das ergibt dann Bilder, die kommen in alle Medien.

Da muss man erstmal den Weg finden, wir sind ja alle eher so ‚Generation online‘, da muss man erstmal gucken: Was können wir? Was können wir uns vorstellen? Wie können wir es organisieren? Und wie erreichen wir aber trotzdem die Leute, die wir auch erreichen müssen für unsere Bewegung, um etwas zu schaffen?“

C: „Es scheint ja dann eher schwierig gewesen zu sein, aber habt ihr schon während Corona dann auch angefangen, solche Hygienekonzepte zu entwickeln, für die Zeit, wenn Demos wieder stattfinden können?“

N: „Tatsächlich kam da sehr viel von der Bundesebene als Vorschlag, da gab es eine richtige Taskforce […]. Und wir in Braunschweig haben uns dann langsam herangetastet. Unsere erste Aktion haben wir mit vier oder fünf Leuten durchgeführt, vor dem VW-Werk, mit Banner und zwei Metern Abstand, mindestens. […] dann sind wir wieder größer geworden und haben […] von der Stadt auch Auflagen bekommen, die wir umsetzen mussten und haben […] da so Kompromisse entwickelt, dass es dann jetzt eigentlich wieder ganz gut lief.“

C: „Also würdest du auch sagen, dass diese Konzepte gut umgesetzt wurden? Du hattest gesagt, es waren dann auch 100, 200 Leute wieder dabei. Oder würdest du schon sagen, dass die Proteste auch so ein bisschen mitgefährdet haben, dass es wieder schlimmer geworden ist?“

N: „Würde ich eigentlich nicht sagen. Also wir hatten am 25.09. […] Kommentare wie ‚Es gab nicht eine falsch getragene Maske auf der ganzen Demo‘, ‚Alle hatten Masken auf, auch beim Fahrradfahren‘.

Wir haben da auch so viel Zeit vorher reingesteckt, wir hatten für den 25.09. angefangen zu planen, sobald das Datum feststand, da hatten wir noch nicht mal Themen. […] Wir hatten ja dann zwei Demorouten, und überall war Abstand möglich, der ganze Schlossplatz war gefüllt. Wir hatten dann mit der Stadt teilweise noch diskutiert, die haben für uns dann eine andere Veranstaltung verschoben, damit wir das umsetzen können, wie wir wollen.

Ich glaube nicht, dass da irgendeine FFF-Demo ein Hotspot war.“

C: „Also scheinen die Konzepte umgesetzt zu werden, jetzt gerade ist es ja dann wieder schwierig. Macht ihr noch Demos, dürfen noch welche stattfinden? Oder seid ihr wieder auf online umgestiegen?“

N: „Die Beschränkungen im öffentlichen Raum gelten ja für maximal zwei Haushalte. Und ich denke mal, wir würden es noch irgendwie durchbekommen, aber wir wollen einfach nicht. Wir haben für uns gesagt, wir wollen das nicht mehr verantworten, haben auch die Demo letzten Freitag [am 30. Oktober] abgesagt, auch wenn die noch normal hätte stattfinden dürfen. […]“

Das war der Interviewteil über die Entwicklung von FFF.

Der dritte und letzte Part, in dem es um die Ziele geht, erscheint demnächst. Denn es stellt sich die Frage: Wie ist eine Protestbewegung in der Lage, etwas in der Politik zu verändern?

Wenn ihr euch bis dahin schon weiter informieren möchtet, findet ihr hier die Website von FFF Braunschweig:

https://fff-braunschweig.de/https://fff-braunschweig.de/