Rückgabe von Kunst aus der Kolonialzeit

In Deutschland werden die Verbrechen in der Kolonialzeit kaum thematisiert. Wenige Schüler wissen  von dem Genozid1, den die Deutschen an den Hereros und Namas2 begangen haben. Auch in deutschen Museen werden die Verbrechen und damit das Blut, das damit bildlich an vielen Kunstobjekten klebt, weggelassen. In letzter Zeit nimmt die Debatte rund um Restitution3 allerdings an Fahrt auf.


Was ist Raubkunst?

Afrikaabteilung im Ethnologischen Museum, Berlin-Dahlem
Foto: Bin im Garten (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Als Raubkunst werden Artefakte bezeichnet, die gewaltvoll von seinem Besitzer bzw. Ursprungsort entwendet wurden. Meist wird dieser Begriff im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus verwendet, allerdings wurden vor allem aus den deutschen Kolonien in Afrika eine Menge Kulturgüter nach Deutschland gebracht. Dort wurden sie in sogenannten Völkerkundemuseen ausgestellt oder man hat sie in den Archiven einstauben lassen.

In die deutschen Museen sind sie auf verschiedene Wege gelangt, teilweise haben Museen Aufträge gegeben, die Kunst am Ursprungsort zu sammeln, häufig wurden die Artefakte auch von Stiftungen dazu gekauft, meist von anderen Kolonialmächten. Auch Privatpersonen haben vieles von Reisen oder Militärentsendungen mitgebracht und später dem Museum gespendet, wobei meist unklar ist, auf welche Weise diese Personen an die  Kulturgüter gelangt ist, Gewalt ist dabei nicht immer auszuschließen.

Warum sollte man Raubkunst zurückgeben?

Zum einen als Aufarbeitung der Schandtaten, die Westeuropa zur Kolonialzeit begangen hat. Zum anderen ist es auch eine Sache des Völker- und Eigentumsrecht. Die europäischen Länder haben diese Kulturgüter entwendet, geraubt und zu ungerechten Preisen gekauft, weshalb es nur gerecht ist, sie wieder an ihren ursprünglichen Besitzer zurückzugeben.
Viele afrikanische Staaten wollen schon seit Jahren ihre Kunstwerke, die meist von signifikanter Bedeutung für ihre Kulturen sind, zurück. Langsam folgt Europa ihren Bitten, wie zum Beispiel Frankreich, die als große Geste der Versöhnung ihrer ehemaligen Kolonie dem westafrikanischen Staat Benin, Skulpturen und andere Kulturgüter zurückgaben. Es sind Akte der Diplomatie, die wichtig sind, um in die Zukunft zuschauen.

Die Gegner solcher Gesten sind meistens der Meinung, dass die afrikanischen Länder nicht imstande seien , sich so gut um die Kunstwerke zu kümmern, wie europäische Museen. Aspekte der Sicherheit, Konservierung und Klimakontrolle werden genannt, obwohl es gerade in Europa  im letzten Jahrhundert  an Sicherheit gemangelt hat.
Andererseits kann es auch gut sein, solche Objekte auch in den Museen der ehemaligen Kolonialmächten zu haben, um die Menschen hier darüber zu bilden und zu sensibilisieren. Schon jetzt wird in vielen Ausstellungen über die unethische Art der Beschaffung der Kulturobjekte informiert. Vorausgesetzt die Museen werfen einen kritischen Blick auf den Fakt, dass sie diese Objekte besitzen, könnten solche Ausstellungen auch dem Herkunftsland helfen.
Dabei muss aber ein starker Unterschied zwischen kulturell wichtigen Objekten, die die Ursprungsländer zurück haben wollen, und Alltagsgegenständen, die die Herkunftsländer selbst im Überfluss haben und mit denen sie nichts weiter anfangen können, gemacht werden.

Was auf jeden Fall geändert werden muss, sind die Besitzverhältnisse. Es ist eine Sache, wenn die Länder ihre Kunstobjekte als Leihgabe an europäische Museen geben, eine völlig andere, wenn die ehemaligen Kolonialmächte Teile der Kultur eines anderen Landes als ihr Eigentum ansehen. Die Restitution solcher Objekte sollte nicht länger als großzügig angesehen werden, sondern als nötig.

Benin-Bronzen – Beispiel für Raubkunst in Deutschland

Gedenkkopf eines Königs oba, Nigeria, Königreich Benin; Messing; 19. Jahrhundert, Afrikaabteilung, Ethnologisches Museum, Berlin; Foto: Bin im Garten (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Die wohl bekanntesten Beispiele von Raubkunst sind die in letzter Zeit medial viel diskutierten Benin-Bronzen im Humboldt Forum Berlin. Bei den Benin-Bronzen handelt es sich um Skulpturen und Reliefs aus Bronze und Messing, sowie Artefakte aus Elfenbein, die aus der Stadt Benin im heutigen Nigeria kommen. 1897 raubten britische Kolonialtruppen 3500 bis 4000 Bronzen aus dem Königspalast und steckten die Stadt in Brand, ca. 1100 davon gelangten als Abkäufe vom Britisch Museum nach Deutschland. Nun sollten sie eigentlich der Hauptfokus vom neuen Humboldt Forum in Berlin werden, stattdessen regten sie eine deutschlandweite Diskussion über Raubkunst an.
Im August 2019 forderte Nigeria die Bronzen zurück und im März 2021 begannen Verhandlungen um die Rückgabe der Bronzen . Zum Schluss kamen diese durch die Verabschiedung der „Erklärung zum Umgang mit den in deutschen Museen und Einrichtungen befindlichen Bronzen“ im April 2021. Diese wurde  durch die Unterzeichnung einer gemeinsamen politischen Erklärung von Außenministerin Baerbock, Kulturstaatsministerin Roth und nigerianischen Vertretern am 1. Juli 2022 weiter ausgeweitet, wobei  auch schon die ersten Bronzen übergeben wurden. Mehrere Museen haben seitdem das Eigentum der Bronzen auf den nigerianischen Staat übertragen, sie behalten die Bronzen aber noch als Leihgaben in ihren Ausstellungen.

Büste der Nofretete – Raubkunst?

Nicht in allen Fällen ist gleich so klar wie bei den Benin-Bronzen, ob es sich nun um Raubkunst handelt, so auch bei der Büste der Nofretete im Neuen Museum Berlin. Die Büste der Königin von Ägypten aus dem 14. Jahrhundert v.Ch. wurde 1912 bei Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft bei Tell el-Amarna entdeckt und anschließend nach Deutschland geschafft. Bei der Ausgrabung wurde das damals übliche Prinzip der Fundteilung angewendet. Dabei wurden die gefundenen Objekte zwischen Ägypten und Deutschland aufgeteilt, was eigentlich fair sein sollte. Manche sagen allerdings, dass der Leiter der Ausgrabung, der Ägyptologe Ludwig Borchardt, Ägypten bei der Fundteilung betrogen habe und die Büste deshalb zu Unrecht in Berlin gelandet sei. Ein besseres Argument dafür, dass die Nofretete Raubkunst sei, ist, dass sich das Prinzip der Fundteilung  auf die Gesetze der Kolonialmächte von damals beruft, was heutzutage niemand sollte, meint der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer 2020 beim Spiegel. Die Büste bleibt höchstwahrscheinlich trotzdem in Berlin und im Besitz der Stiftung Preußischen Kulturbesitzes, da es auch von Seiten Ägyptens keine Restitutionsforderungen gab.

Fotografie der Büste der Nofretete im Neuen Museum, Berlin. Foto: Philip Pikart (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)

Ob die ehemaligen Kolonialmächte ihre gestohlenen Kulturgüter zurückgeben, bleibt nur abzuwarten. Die deutsche Regierung jedenfalls zeigt sich offen.

  1. Genozid auch Völkermord genannt ist die ganze oder teilweise Zerstörung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe ↩︎
  2. Der Völkermord an den Herero und Nama (afrikanische Völker) geschah während und nach der Niederschlagung von Aufständen der Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialmacht in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika während der Jahre 1904 bis 1908. (aus: https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_an_den_Herero_und_Nama) ↩︎
  3. Wiedergutmachung oder Schadensersatz für einen Schaden, der einem Staat von einem anderen zugefügt wurde. Rückgabe oder Entschädigung gestohlenen Vermögens. (aus: https://www.duden.de/rechtschreibung/Restitution) ↩︎

Quellen:

https://www.dw.com/de/benin-bronzen-raubkunst-nigeria-restitution-2022/a-57383823
https://www.dw.com/de/benin-bronzen-und-die-t%C3%BCcken-des-r%C3%BCckgabeprozesses/a-57046347
https://www.dw.com/de/afrikas-verlorenes-erbe-und-europas-restitutionspolitik/a-59640399
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/Koloniale-Raubkunst-Was-in-deutschen-Museen-alles-verstaubt,extra19878.html
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article229466787/Pro-und-Contra-Sollten-deutsche-Museen-Raubkunst-nach-Afrika-zurueckgeben.html
https://www.dw.com/de/doku-%C3%BCber-kolonialismus-kamerun-die-gestohlene-seele/a-54730538
https://www.welt.de/debatte/kommentare/article246425264/Raubkunst-Benin-Bronzen-restituieren-Und-zwar-bedingungslos.html?icid=search.product.onsitesearch
https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2023/05/ethnologische-museen-kolonialismus-raubkunst-restitution
https://www.welt.de/geschichte/article244687400/Restitution-Material-der-Benin-Bronzen-aus-dem-Sklavenhandel.html?icid=search.product.onsite
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https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/benin-bronzen-koennen-zurueckkehren-2058816
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/rueckgabe-benin-bronzen-2155038
https://www.spiegel.de/geschichte/geschichte-newsletter-wem-gehoert-nofretete-a-56d5d681-72f0-4b6a-9097-8297f5149fb6
https://www.spiegel.de/geschichte/nofretete-bueste-es-hat-bislang-keine-offizielle-rueckgabeforderung-aegyptens-gegeben-a-03f195a3-2911-42a5-802f-c269733234e4